Es gibt Tage, an denen ich mich nach einer starken Schulter zum Anlehnen sehne. Doch schnell danach frage ich mich ob ich überhaupt bereit bin, nach so langer Zeit Kompromisse einzugehen, denn in einer Beziehung geht es immer um Kompromisse.
Ich bin jetzt schon so lange alleine und habe meine Kinder alleine gross gezogen, dass es mir echt schwer fällt, mich auf eine neue Beziehung einzulassen. Vielleicht auch, weil ich in der Vergangenheit, so manches Traumata durchleben musste.
Ist es nun die Angst vor neuen Verletzungen, die mich blockiert oder leide ich einfach nur an Bindungsangst ?
Ich habe in den letzten Jahren festgestellt, wie stark ich doch bin oder sein kann, weil ich dazu gezwungen war, alles alleine schaffen zu müssen. Und nun, wo ich so lange durch die schwierigste Zeit meines Lebens gegangen bin, habe ich irgend wie keine Lust mehr darauf, dass jemand anderes mir sagen tut, was ich zu tun oder wie ich zu sein habe. Ich möchte einfach nicht in meiner Selbstbestimmung eingeengt werden.
Ich glaube, im Moment, würde jede Beziehung an meiner eigenen Kompromissbereitschaft scheitern, weil ich einfach in der Vergangenheit gelernt habe, dass die meisten Menschen gar nicht beziehungsfähig sind, sondern nur ihren eigenen Willen ausleben wollen oder den Partner / Partnerin nach ihren Vorstellungen verändern wollen.
Hatte ich nun die falschen Partner oder hatte ich selbst eine falsche Einstellung zur Beziehung ?
Ich glaube eher, dass ich eine falsche Einstellung zu mir selbst hatte, denn anstatt mich für meine eigenen Werte einzusetzen, habe ich mich an meinen Partner angepasst, und zwar so sehr, dass fast nichts mehr von meiner eigenen Persönlichkeit übrig geblieben ist.
Diese Einstellung beruhte auf eine alte Verletzung, nämlich verlassen zu werden, weil ich, in den Augen des Partners, nicht gut genug (für eine Partnerschaft) war.
Und heute, nach einem langen Weg der Heilung, bin ich einfach nicht mehr bereit den gleichen Fehler noch einmal zu machen. Ich habe gelernt mich um mich selbst zu kümmern und weiss, dass mein Gefühlsleben nicht vom Gegenüber abhängig ist. Denn nicht mein Partner gibt mir meinen Wert, sondern ich selbst.
Diese alte Verletzung konnte ich heilen, denn mein damaliger Partner hatte unrecht. Ich war und bin immer noch liebenswert, doch er war einfach nicht bereit seinen eigenen Beitrag zur Beziehung zu leisten.
Dies soll jetzt kein Vorwurf sein, denn wir alle mussten im Laufe unseres Lebens, erst einmal rausfinden, wer wir eigentlich sind, ohne uns zu sehr von der Meinung anderer beeinflussen zu lassen. Denn nicht der Blick nach aussen zeigt uns, wer wir sind, vielmehr der Blick nach innen, macht uns bewusst, wer wir schon immer waren.
Nun zurück zur Frage, ob ich wirklich bereit bin, eine neue Beziehung einzugehen.
Ja, bin ich. Doch ich bin nicht mehr bereit in eine Beziehung zu investieren, die auf Nähe und Rückzug, Verlustangst und Vermeidungsverhalten beruht, denn ich bin zutiefst davon überzeugt, dass man festgefahrene Muster und Verhaltensmuster durchbrechen kann und so eine neue Beziehungsfähigkeit erlernen kann.
Ich mache mich jetzt nicht aktiv auf die Suche nach einem passenden Partner, sondern vertraue einfach darauf, dass sich der passende Partner zum richtigen Zeitpunkt zeigen wird.
